«Das soll möglichst agil sein»
Am
Philomena Colatrella, Sie sind seit dem
Ich habe als neue CEO ein starkes und gesundes Unternehmen übernommen. So gesehen bin ich in einer komfortablen Situation. Allerdings sind die Herausforderungen in der Assekuranz und im Gesundheitsmarkt dermassen anspruchsvoll, dass sich eine Anpassung unserer Organisationsstruktur aufdrängte. Das «Schiff CSS» soll möglichst agil werden, um rasch auf Veränderungen im schweizerischen Gesundheitswesen reagieren und einen neuen Kurs einschlagen zu können. Mit der Neuorganisation haben wir uns fit für die Zukunft gemacht.
Sie haben bei der Umstrukturierung ein hohes Tempo angeschlagen – die Gründe dafür?
Ich habe mich nach meiner Wahl im Februar 2016 rund ein halbes Jahr lang sorgfältig mit der Struktur der CSS auseinandergesetzt und Dutzende von Gesprächen geführt. Das hat es mir erlaubt, die Leute und das Unternehmen noch besser kennenzulernen. Die neue Struktur, die ab dem
4.2
Verwaltungskosten in %
Die CSS konnte die Verwaltungskosten in den vergangenen Jahren kontinuierlich senken. In der Grundversicherung betrugen sie 2016 noch 4,2 Prozent.
Wo werden die CSS-Versicherten die Neustrukturierung zu spüren bekommen?
Die Kundenzufriedenheit geniesst in unseren Strategieüberlegungen sowie im Tagesgeschäft höchste Priorität. Wir haben deshalb die CSS so umstrukturiert, dass wir dank der Bündelung der Kundenservices unsere Versicherten noch besser aus einer Hand bedienen können. Das sollen und werden die Kunden im positiven Sinn spüren. Egal, ob eine versicherte Person telefonisch an die Serviceline gelangt oder persönlich auf einer Agentur vorbeikommt: Sie wird überall gleich gut betreut. Da sich die Prämien der Krankenversicherer in den kommenden Jahren immer mehr annähern dürften, wird der Kundenservice als Qualitätsmerkmal umso wichtiger. Unsere Versicherten sollen spüren, dass sie mit der CSS einen Partner im Rücken haben, der mehr für sie macht, als bloss die Rechnungen zu bezahlen.
Sie haben neu einen Konzernbereich «Strategie & Corporate Services» geschaffen. Was versprechen Sie sich davon?
Wie will sich die CSS künftig im «Ökosystem Gesundheitswesen» positionieren? Diese Frage stand im Zentrum der Neuausrichtung. In unserem Unternehmen sind viele tolle Ideen und Initiativen vorhanden, wie die CSS auf den stetigen Wandel reagieren kann. Allerdings hat bisher eine Stelle gefehlt, um all die Ideen aufzufangen, zu triagieren und letztlich in konkrete Handlungen einfliessen zu lassen. Diesem Umstand haben wir mit dem neuen Konzernbereich Rechnung getragen. Ziel muss es sein, dass wir künftig Angebote entwickeln können, die den Kunden noch mehr im Zentrum sehen. Wir wollen den Versicherten Orientierung geben, damit sie sich im «Dschungel Gesundheitswesen» besser zurechtfinden und sich eigenständig darin bewegen können.
Im Frühjahr 2016 weigerte sich die CSS als einzige Schweizer Krankenversicherung, Versichertendaten an das Bundesamt für Gesundheit zu liefern. Wie hat sich die Situation entwickelt?
Gewisse Daten haben wir seither auf Anraten des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten nach Bern geliefert. Allerdings behalten wir uns vor, bei künftigen Datenforderungen die Frage der Verhältnismässigkeit und der Zweckmässigkeit zu stellen. Der Schutz der Persönlichkeit der Versicherten hat bei der CSS höchste Priorität. Das gilt übrigens auch für die digitalen Initiativen der CSS. Nur wenn wir mit den uns übermittelten Daten sorgfältig umgehen, geniessen wir das Vertrauen der Versicherten. Und dieses ist unser grösstes Kapital.
«Die Digitalisierung bietet uns grosse Chancen, damit wir in Zukunft ein noch wichtigerer Teil des Schweizer Gesundheitswesens werden können.»
Mit der Finanzmarktaufsicht (FINMA) zeigt sich eine weitere Bundesbehörde seit einiger Zeit überaus aktiv. Insbesondere sind der FINMA gewisse – angeblich missbräuchliche – Gewinnmargen bei den Zusatzversicherungen ein Dorn im Auge. Wie kann die CSS damit umgehen?
Diese Kontrolltendenz im Bereich der Zusatzversicherungen hat sich in der Tat zugespitzt. Nach der Bankenwelt nimmt die FINMA nun die Versicherungsbranche äusserst genau unter die Lupe. Was aber die Beschränkung von Gewinnmargen in der Krankenzusatzversicherung anbelangt, fehlt mir die klare gesetzliche Grundlage, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Wirtschaftsfreiheit, die wir in der Schweiz kennen. Auch ist es ja nicht so, dass wir von unseren Versicherten Prämien einverlangen, ohne dafür eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Die im Gesetz sehr offen formulierte Missbrauchsbestimmung muss deshalb zwingend plausibilisiert werden, damit künftig Rechtssicherheit besteht.
Letztlich wird eine Beschränkung der Margen dazu führen, dass Gewinne erodieren. Genau diese aber sind nötig, um das Unternehmen weiterentwickeln zu können. Eine schwierige Situation?
Die Senkung der Gewinnmargen wird seit Jahren gefordert und auch umgesetzt. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als die entstehenden Lücken mit neuen Ertragsquellen zu schliessen. Wie jedes Unternehmen braucht auch die CSS finanziellen und unternehmerischen Spielraum, um sich weiterentwickeln zu können. Denn letztlich geht es um
Eine Ihrer wichtigsten Aufgaben ist es, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens langfristig zu sichern. Wie wollen Sie das angehen?
Die Digitalisierung bietet uns grosse Chancen, damit wir in Zukunft ein noch wichtigerer Teil des Schweizer Gesundheitswesens werden können. Ich denke da insbesondere an die Bereiche Gesundheitsförderung und Prävention. Mit dem Projekt myStep sind wir im
Perspektivenwechsel:
Die Zahl hat wohl etwas mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im
Richtig. Seit der Einführung des KVG sind die Prämien um
Die Zahlen wirken in der Tat beunruhigend. Gleichzeitig sind sie auch eine der grössten Herausforderungen für die Zukunft. Wir müssen uns als Versicherung stets die Frage stellen, in welchen Bereichen wir selber etwas dazu beitragen können, um die Kostenspirale zu bremsen. Ich denke da vor allem an die konsequente Kontrolle von jährlich fast
«Bei Politikern und Versicherten kommen Heimatgefühle auf, wenn eine Spitalschliessung auch nur schon angetönt wird.»
«Die Hälfte der Schweizer Spitäler ist genug», sagten Sie in einem Interview und skizzierten damit einen Lösungsansatz zum Sparen. Bloss: Statt Spitäler zu schliessen, investieren die Kantone Milliarden in neue Spitalinfrastruktur. Ihr Vorschlag scheint also für kantonale Gesundheitsdirektoren keine gute Idee zu sein.
Das ist tatsächlich eines der grössten Paradoxa in der Schweizer Gesundheitspolitik. Es ist seit Jahren bekannt, dass die Spitallandschaft erheblich ausgedünnt werden könnte, ohne die Versorgungssicherheit in Frage zu stellen. Doch das Gegenteil passiert. Nicht nur bei den Politikern, sondern auch bei den Versicherten kommen Heimatgefühle auf, wenn eine Spitalschliessung auch nur schon angetönt wird. Dabei wird ausgeblendet, dass nicht die Nähe eines Spitals massgeblich ist, sondern die Qualität der Dienstleistung. Sowohl Politik wie auch Versicherte müssten hier bereit sein, auf ein Optimum – nicht auf ein Minimum! – zu reduzieren.
Scheinbar ist aber die Schmerzgrenze für einen solchen Schritt noch nicht erreicht?
Angesichts des heutigen Prämienniveaus habe ich zumindest die Hoffnung, dass aufgrund des Kostendrucks endlich ein Umdenken einsetzt. Die Hoffnung wird genährt durch die derzeitige Diskussion über die Altersvorsorge. Hier scheint klar zu werden, dass zwingend gehandelt werden muss, will man nicht eine ganze Sozialversicherung an die Wand fahren.
173
Durchschnittsprämie in CHF
Bei der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes 1996 betrug die Durchschnittsprämie pro versicherte Person 173 Franken. Heute sind es 447 Franken.
Der Skepsis zum Trotz: Sehen Sie irgendwo Aufhellungen am doch eher düsteren Krankenversicherungshorizont?
Mut – das ist meines Erachtens das Stichwort. Mut, auch neue Ansätze ins Spiel bringen zu dürfen, ohne gleich eine Pauschalschelte zu riskieren. Ich denke da etwa an die ganze Managed-Care-Thematik. Zwar hat das Stimmvolk vor einigen Jahren eine entsprechende Vorlage an der Urne abgelehnt. Ich bin jedoch überzeugt, dass hier noch ein grosses Potenzial für neue und vielleicht auch unkonventionelle Managed-Care-Modelle schlummert. Und weshalb nicht die Medikamentenliste und den Leistungskatalog kritisch hinterfragen, in dem fast alles bezahlt wird, was das Menschenherz begehrt? Wollen die Versicherten diese Leistungsdichte wirklich? Fragen über Fragen. Diese sollte man auf den Tisch bringen dürfen, ohne dass gleich eine Grundsatzdiskussion lanciert wird.